Fellfarben und Genmutation – ein kurzer Überblick

(Susanne Schneider)

In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit Anderer für viele Menschen eine bedeutende Ressource darstellt, tauchten in Welpen-Verkaufsportalen vor einigen Jahren neue Farbschläge bei Hunden auf wie z.B. Französische Bulldoggen in Blau oder Blue-Merle oder Chihuahuas in Blue-Merle. Bezeichnet oft als reinrassige Tiere ohne FCI-Papiere – die laut Rassestandards immer Fehlfarben wären – sprechen sie die auf Exklusivität bedachten Hundeliebhaber an, die keine Ahnung davon haben, dass ihr neuer Hausgenosse gerade wegen seiner exklusiven Farbe ein häufiger Gast in Tierkliniken und Tierarztpraxen werden könnte. Es handelt sich hierbei um Tiere mit Genmutationen, mit denen sehr ernste pathologische Veränderungen assoziiert sein können, welche die Lebensqualität des Individuums entscheidend herabsetzen.

Körpereigenes Eumelanin färbt Haut und Haar im Körper braun/schwarz, Phäomelanin rot/gelb. Die Verteilung des Melanins und damit die Farbintensität von Haut und Haaren wird durch verschiedene Gene gesteuert.

Ein Krankheitswert besteht vor allem bei drei Genmutationen:

Dilute-Gen: CDA (Colour Dilution Alopecia - Farbverdünnungsalopezie)
Merle-Gen: angeborene Taubheit, missgebildete Augen, unpigmentierter Nasenspiegel
Scheckungs-Gen:   angeborene Taubheit, fehlgebildete Augen, Hautprobleme

Das Dilute-Gen (d-Locus)

Das Dilute-Gen bewirkt eine Aufhellung der Farbintensität von Haaren. Zur Zeit geht man davon aus, dass es sich um eine Mutation auf dem Gen handelt, das für die Produktion von Melanophilin (MLPH) verantwortlich ist – hierdurch werden über eine Reduktion der Eumelanin-Produktion schwarze Haare zu Grau-Blau und braunes Haar zu Silber-Braun aufgehellt. Diese Dilute-Farbe zeigt sich bereits bei der Geburt - im Gegensatz zum harmlosen Greying-Gen, bei welchem Hunde dunkel zur Welt kommen und anschliessend früh ergrauen.

Klinische Symptome der CDA wie Haarausfall, Haarlosigkeit und Sekundärinfektionen der Haut treten meist ab einem Alter von sechs Monaten auf - Welpen erscheinen daher erst mal gesund. Ein wichtiges Erkennungsmerkmal der CDA ist, dass nur die farbverdünnten Areale von Erkrankungen betroffen sind. Den CDA-Verdacht kann der Tierarzt schon mit den klinischen Symptomen und einer Haarprobe (Trichogramm) stellen. Für eine definitive Diagnose braucht es jedoch Hautbiopsien, die im Labor histologisch untersucht werden bzw. einen Gentest. Von CDA besonders betroffene Rassen: Yorkshire Terrier, Zwergpinscher, Dogge, Whippet, Italienisches Windspiel, Saluki, Chow Chow, Dackel, Silky Terrier, Boston Terrier, Neufundländer, Berner Sennenhund, Shetland Sheepdog, Schipperke, Chihuahua, Pudel, Irish Setter.

Es gibt Rassen, bei denen die durch das Dilution-Gen entstandenen Farben in der Zucht innerhalb der FCI erlaubt sind, wie z. B. Weimaraner oder Deutsche Dogge. Warum hier die Verdünnung keine negativen Konsequenzen zu haben scheint, ist noch nicht genau geklärt. Vermutlich liegt es daran, dass bei dieser Rasse diejenigen Gene fehlen, die in Interaktion mit dem Dilutions-Gen zu der Farbmutantenalopezie (CDA) führen.

Für die Verpaarung gilt:

D/D (nicht betroffen von der Farbverdünnung)
D/d (Träger des Dilution-Gens)
d/d (betroffen von der Farbverdünnung, verdünnte Fellfarbe)

Eltern: D/D x D/D Nachkommen: 100 Prozent D/D
Eltern: D/D x D/d Nachkommen: 50 % D/D, 50% D/d
Eltern: D/D x d/d Nachkommen: 100 % D/d
Eltern: D/d x D/d 25 % D/D, 50 % D/d, 25 % d/d
Eltern: D/d x d/d 50 % D/d, 50 % d/d
Eltern: d/d x d/d 100 % d/d

CDA erfordert lebenslangen Schutz der Haut vor Sonnenbrand, mechanischen Belastungen und Unterkühlung. Die zu Entzündung neigenden Hautareale müssen durchgehend gepflegt und ggf. behandelt werden.

Das Merle-Gen (SILV-Gen auf m-Locus)3

merleIn vielen Ländern gibt es schon lange merlefarbige Hütehunde. Normalerweise ist ein Hund mit nur einem Merle-Gen auch nicht krank. Die Zucht von Merle-Hunden ist jedoch heikel, da ein Merle-Gen tragender Hund zwingend mit einem Hund verpaart werden muss, der das Merle-Gen nicht trägt. Wenn zwei Merle-Gen tragende Hunde miteinander verpaart werden, ist die Gefahr enorm, dass schwer geschädigte Welpen (durch fehlende Pigmentzellen verursachte Ohren- und Augenmissbildungen) auf die Welt kommen.

Das Merle-Gen hellt nur Eumelanin (schwarz-braun) auf, während es Fellbereiche, in denen ausschließlich Phäomelanin (rot-gelb) vorkommt, unverändert lässt. Bei einem rötlich gefärbten Hund ist es so oft schwierig zu erkennen, ob er das Merle-Gen trägt, da nur schwarzes und braunes Pigment verdünnt wird. Es gibt auch braune oder schwarze Hunde, bei welchen die Merle-Scheckung beinahe nicht erkennbar ist, daher ist der Erbgang hier besonders schwierig zu beurteilen. Manche Farbverteilungen sorgen aber auch dafür, dass im Fell eines Hundes keinerlei Eumelanin zu sehen ist. Hier hilft als Abgrenzung zum Albinismus ein Blick auf Nasenspiegel, Augenränder, Hautflecken und Mundwinkel, denn diese werden auch dann durch das Eumelanin pigmentiert, wenn im Fell selbst keine schwarze Pigmentierung zu sehen ist.

Eine verantwortungsvolle Zucht bedeutet daher, eine genetische Untersuchung bei allen Zuchthunden durchführen:

mm: Das Tier ist reinerbig für das Wildtypallel. Die Anlage für die Fellfarbe Merle liegt nicht vor. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Non-Merle.

Mm: Das Tier ist mischerbiger Träger des für die Merle-Färbung verantwortlichen, defekten SILV-Gens und des Normalgens. Die Anlage für die Fellfarbe Merle wird mit einer 50%igen Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Merle.

MM: Das Tier ist reinerbiger Träger des für die Merle-Färbung verantwortlichen, defekten SILV-Gens. Die Anlage für die Fellfarbe Merle wird mit einer 100%igen Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Double-Merle

M(c)m: Das Tier ist mischerbiger Träger für das „kryptische“ Merle-Gen und das Normalgen. Das kryptische Merle-Gen wird mit 50%iger Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Non-Merle (heterozygot „kryptisches“ Merle)

M(c)M(c): Das Tier ist reinerbig für das „kryptische“ Merle-Gen. Das kryptische Merle-Gen wird mit 100%iger Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Non-Merle (homozygot „kryptisches“ Merle)

M(c)M: Das Tier ist mischerbig für das „kryptische“ Merle-Gen und das für die Merle-Färbung verantwortliche Merle-Defektgen. Das Merle-Defektgen (und das kryptische Merle-Gen) wird mit 50%iger Wahrscheinlichkeit an die Nachkommen vererbt. Das Tier hat selbst die Fellfarbe Merle (heterozygot „kryptisches“ Merle)

Das Scheckungs-Gen (s-Locus)

beagleDas Scheckungs-Gen bestimmt bei domestizierten Tieren wie Kaninchen, Rindern, Pferden, Hunden und Katzen die Verteilung der Pigmentzellen. Bei leuzistischen (weißbetonten) Scheckungen des Hundes unterscheidet man: ein asymmetrisches Muster, bei dem weiße Abzeichen zufällig über das Fell verteilt sind wird als Piebald, Parti oder Random White bezeichnet und tritt zum Beispiel beim Beagle4 oder Fox Terrier auf. Eine weitere Scheckung wird als Extremscheckung (Extreme White) bezeichnet und führt zu einem fast vollständig weißen Fell, wobei farbige Bereiche höchstens noch am Kopf auftreten. Die dritte grundlegende Scheckung wird als “Irish spotting” bezeichnet. Sie ist durch ein symmetrisches Muster mit weißen Abzeichen an der Unterseite, an Hals, Schnauze und/oder Stirn gekennzeichnet und findet sich zum Beispiel beim Boston Terrier, Corgi, Berner Sennenhund und Basenji.

Auf dem Genlocus für die Piebald-Scheckung befinden sich das S-Allel (nicht-weiß) und s (Piebald-weiß). Zwei weitere Allele sind bekannt, die sich wahrscheinlich auf anderen Loci befinden: sw (extremes Weiß) und si  (als Irish Spotting bekannter Phänotyp). Das Piebald-Gen (s) ist rezessiv gegenüber dem S-Gen (nicht-weiß) - dies bedeutet: wenn zwei nur Piebald tragende Hunde gekreuzt werden (beide Ss-Genotyp, nicht-weißer Phänotyp) besteht eine Chance von 25 % für ein Piebald-Junges im Wurf und eine Chance von 50 %, dass der Welpe nur Piebald-Träger ist. Die Verteilung der Piebald-Scheckung ist rein zufällig (random), so dass Individuen trotz reinerbigen Vorliegens der Erbanlagen für Piebald keine phänotypische Weiß-Scheckung zeigen müssen.

Ursache für die Piebald-Weißscheckung ist eine SINE-Insertion in einem DNA-Abschnitt, der das Microphthalmia Associated Transcription Factor Gen (MITF) steuert. Das MITF ist an der Differenzierung der aus der Neuralleiste hervorgehenden Melanozyten, des aus der Exkavation des Sehnervenkopfes hervorgehenden retinalen Pigmentepithels und der aus dem Knochenmark hervorgehenden Mastzellen und Osteoklasten regulierend beteiligt. Einige MITF-Mutationen verursachen eine Fehlentwicklung des Auges, bekannt als Mikrophthalmie, und wirken sich daher auf die Sehkraft aus. MelaninarmeIndividuen mit großen unpigmentierten Flächen am Kopf und Körper sowie blauen Augen sind hier besonders disponiert. Zudem können die UV-Strahlen der Sonne durch eine blaue Iris, die kaum UV-absorbierendes Melanin enthält, die Netzhaut früh schädigen

Andere MITF-Mutationen verursachen früh einsetzende Hörstörungen – betroffene Individuen können daher auf einem oder auf beiden Ohren taub sein. Diese angeborene sensorineurale Taubheit äußert sich bereits in den ersten Lebenswochen: fehlen im Corti-Organ die Eumelanin-haltigen Pigmentzellen, kann das zu einer Störung der Haarzellenbildung führen. Ohne diese Hörsensorzellen mit ihrer Antennenfunktion kann der Hund die Geräusche nicht ans Gehirn übermitteln und ist damit taub. Auch hier sind Tiere mit großen weißen Flächen an Kopf und Körper und blauen Augen besonders gefährdet.

Die Zucht mit Individuen, die Träger einer dieser Genmutationen sein können ist daher immer unter Heranziehung des § 11b des TierSchG zu beurteilen. Züchter sollten die Empfehlung nutzen, einen Gentest mit allen ihren Zuchttieren machen zu lassen, da auch phänotypisch „normale“ Hunde genotypische Merkmalsträger (Konduktoren) sein können.

Derzeit bekommen Hunde mit Fehlfarben von einem dem VDH angeschlossenen Zuchtverband keine Ahnentafel oder die Ahnentafel trägt den Vermerk "von der Zucht ausgeschlossen". Darüber, ob auch die Konduktoren von der Zucht ausgeschlossen werden, entscheiden die Zuchtverbände.

Weiterführende Literatur:

TVT-Merkblatt Nr. 141: Qualzucht beim Hund, Nov. 2017.pdf
Zu Genloci:
Forschung zu CDA beim Hund (Uni Bern):
Zur Beurteilung Merle/Kryptisches Merle:
Clark et al., 2006; PNAS 103(5):1376-81
Zur mutationsassoziierten Erkrankungen:
Oculo-skeletal dysplasia in five Labrador Retrievers ; Vet Ophthalmol., 2020 Mar;23(2):386-393. Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31595625/
George M. Strain, Congenital deafness and its recognition, 1999; Department of Veterinary Physiology, Pharmacology, and Toxicology, School of Veterinary Medicine, Louisiana State University, Baton Rouge, USA


Bildnachweis

3 Foto Sophie Zimmermann
4 Foto privat

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